Südtirol, wohl Brixen,
Das Tafelgemälde mit der Verkündigung spricht ganz die Sprache der nordalpinen Spätgotik und greift einen Darstellungstypus auf, der in der Malerei der alten Niederländer seinen Ausgangspunkt und seine erste volle Ausprägung fand. Im Laufe des 15. Jahrhunderts verbreitete sich dieser rasch im gesamten nordalpinen Raum (Abb. 1–6), so dass auch unser unbekannter Meister seine Komposition darauf aufbauen konnte.
Die schlanke Eleganz der Körperlichkeit und die Zartheit der Physiognomien verraten dabei noch die Herkunft vom weichen Stil, der internationalen Gotik um 1400–1420, doch zeigt sich auch eine kräftige Natürlichkeit der Figuren, die auf eine Datierung in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts hinweist, wohl sogar ins letzte Viertel.
Hinsichtlich der Einordnung in eine Kunstlandschaft ist eine Entstehung im Umfeld der Südtiroler, wohl der Brixener Schule anzunehmen. Hierfür spricht neben motivischen Anknüpfungspunkten wie der Gestaltung des Engelskleides, der Physiognomien oder des Mariengewandes auch die zwar sehr schlanke, doch etwas gedrungene und „kurzhalsige“ Proportion, ferner erinnern die Betonung des Umrisses und eine gewisse Bodenständigkeit im Ausdruck an die Werke der Brixener Spätgotik. Eng verwandt sind diese mit den Umsetzungen der schwäbischen Schule, die jedoch im Gesamteindruck etwas distanzierter und überhöhter erscheinen. Das Tafelgemälde mit der Verkündigung an Maria wird demnach wohl im Brixener Raum entstanden
sein und ist somit Zeuge der charaktervollen Spätgotik in Südtirol. Dank der Seltenheit der ikonographischen Seitenverkehrung wird das überaus reizvoll gestaltete Gemälde zudem zu einer besonderen Rarität.
Technik: Öl auf Holz.
Maße: 47 x 45 cm.